Aufwachen in Kakslauttanen, Spaziergang, Lappish Dinner und eine ausgedehnte Nachtfahrt
… welch ein Traum! Als ich etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang aus meinem Schlafzimmerfenster schaute, blickte ich auf eine wunderbare Schneelandschaft. Das Außenthermometer zeigte mir minus 26 °C an. Wann hatte ich das zuletzt erlebt? Als Kind vielleicht, aber dann waren es „höchstens“ mal zwischen 10 und 20° minus. Damals, in den 50er Jahren hatten wir Eisblumen an den Fenstern. Schnee, mehr als 30 cm hoch gab es im Winter 2010 für etwa eine Woche.
Voller Begeisterung zog ich mich fix an, deckte schon mal den Frühstückstisch und machte erste Fotos.
Erste Eindrücke von unserer näheren Umgebung
Nach unserem ersten gemütlichen Frühstück gut 200 Kilometer nördlich des Polarkreises machten wir einen Spaziergang, um die Gegend ein wenig zu erkunden und natürlich auch, um schöne Fotos zu machen.
Wir gingen zunächst so, wie Mika es uns beschrieben hatte: Parallel zur Hauptstraße, die von uns aus gesehen rechts nach Ivalo (40 km) und links nach Rovaniemi (250 km) führte. Das Laufen war nicht sonderlich anstrengend, denn wir bewegten uns auf einer geräumten Piste für Schneemobile. An einem wolkenlosen Himmel strahlte die Sonne tief über dem Horizont und tauchte die Landschaft in ein fahles, für uns sehr ungewohntes Licht.
Plötzlich sahen wir in der Ferne am Waldrand ein Tier, das sich langsam in unsere Richtung bewegte. Aufgeregt zückten Christian und ich unsere Handys und Roland seine Kamera, denn es war tatsächlich unser erstes Rentier. Als in der Ferne Schneemobile auftauchten, setzte es sich in Trab und flüchtete in den Wald.
Wir überquerten die wenig befahrene Hauptstraße und gingen auf einer Nebenstraße weiter. Da wir gerne einen Kaffee trinken wollten und im Wald einige Blockhäuser auftauchten, ging ich hin, um mich zu erkundigen, ob dies möglich sei. Leider schien im Moment niemand zu Hause zu sein. Stattdessen kam mir ein offensichtlich domestiziertes Rentier entgegen, das mich bis zur Straße begleitete und sich auch ohne Scheu fotografieren ließ. Dabei fiel uns die absolute Ruhe auf, die uns umgab und die wir in vollen Zügen genossen.
Weil ich meine Wanderstöcke vergessen hatte und wir schon um 18 Uhr bei Mika das Lappish Dinner gebucht hatten, traten wir drei allmählich den Rückweg an.
Bevor wir ins Haus gingen, schleuderten Christian und Roland noch heißes Wasser hoch in die Luft, um zu mit anzusehen, wie es unmittelbar gefror. Mehr dazu unter Mpemba-Effekt
Ein tolles Event: Unser Lappish Dinner
Als wir um 18 Uhr Mikas Restaurant betraten, waren wir sofort gefangen von der wohligen Atmosphäre, die uns umgab. Mitten im Raum knisterte ein offenes Feuer, um das in einem Halbrund fünf rustikale Tische und Bänke angeordnet waren. Alles wirkte sehr einladend. Programmgemäß wurde Wasser gereicht, aber man durfte seine eigenen alkoholischen Getränke mitbringen. Etwas später kam noch ein Paar hinzu, und wie sich schnell im Gespräch herausstellte, wohnten die beiden nur wenige Kilometer von Christians Wohnort entfernt.
Während wir vorzüglich speisten, zeigte uns Mika ein Foto mit Polarlichtern, das seine Frau soeben in Ivalo in ihrem Garten aufgenommen hatte. Er schlug daraufhin vor, nach dem Dinner mit uns loszufahren, um nach ihnen zu suchen. Wir fragten Mika, ob das für ihn nicht zu spät würde. Aber er meinte, das sei schon okay, und gegen halb zehn – nach dem Aufräumen – wolle er uns abholen.
Nach einem leckeren Nachtisch gingen wir die wenigen Meter durch die mondhelle Polarnacht zu unserem Haus. Immerhin mussten wir uns auf einen längeren Aufenthalt draußen in der Eiseskälte vorbereiten, denn wir hofften ja darauf, viele Fotos von dem faszinierenden Naturschauspiel machen zu können.
Mika kam pünktlich vorbei und brachte uns noch einen ganzen Topf mit dem vorzüglichen Lachs. Wegen der Kälte hatte er sein Auto an Strom angeschlossen, um den Motor zu erwärmen. Trotzdem dauerte es noch einige Zeit, bis der Wagen endlich ansprang. Zu unserer Freude ließen sich am hellen Himmel erste Polarlichter erahnen.
Aurora Borealis hunting by minibus –
Jagd auf Polarlichter mit dem Minibus …
… so die Ankündigung auf der Seite von Jaana und Mika. Wir hatten gedacht, dass uns Mika in die Nähe auf irgendeinen Hügel fahren würde, von wo aus wir das Schauspiel am Himmel erwarteten. Doch leider tat sich nichts am mondhellen Firmament. So fuhren wir dann mit 80 bis 100 km/h über die schneebedeckte Straße durch die kalte Polarnacht. Ich saß vorne, und mir wurde angst und bange bei dem Tempo. Doch Mika meinte spaßhaft, dass er glaubte, Winterreifen aufgezogen zu haben. Christian ergänzte, dass in diesen Regionen alle mit Spikes führen. Wie zur Bestätigung bremste Mika plötzlich – nachdem er uns vorgewarnt hatte – und kam auch sofort zum Stehen.
Mittlerweile war das Außenthermometer am Auto auf minus 29 °C gefallen. Nach einer halben Stunde passierten wir Ivalo. Zwischendurch schaute Mika immer wieder nach rechts und links aus dem Fenster, doch es tat sich nichts am Himmel.
Vielleicht könnten wir uns ja irgendwo auf einen erhöhten Punkt stellen und einfach abwarten, versuchte ich Mika zum Anhalten zu bewegen. Doch vergebens – er hatte es sich in den Kopf gesetzt, uns Polarlichter noch in dieser Nacht zu zeigen, koste es, was es wolle!
Als wir schließlich Inari erreichten – wir waren 80 Kilometer gefahren – hielt Mika ein wenig abseits der Hauptstraße auf einer Anhöhe. Da standen wir nun in dieser sternenklaren Nacht und schauten auf den zugefrorenen Inarisee, der mit 40 x 80 km etwa doppelt so groß ist wie der Bodensee und etwa 3.300 Inseln besitzt. Somit ist dies der drittgrößte See in Finnland, wie uns Mika wissen ließ.
Roland stieg aus und machte sich startklar zum Fotografieren. Im Wageninneren war das Thermometer in der Zwischenzeit auf über 20 °C geklettert.
Nachdem etwa eine halbe Stunde verstrichen war, ohne dass sich am Himmel etwas getan hatte, fuhren wir wieder heim. Mika tat uns leid, denn er musste ja, nachdem er uns zurück nach Kakslauttanen gefahren hatte, wieder zu sich nach Hause bis nach Ivalo. Mit anderen Worten: Er war in dieser Nacht 200 Kilometer gefahren …
Ich trank mit den beiden Jungen noch ein Bier und begab mich nach einem sehr schönen ersten Tag in Lappland gegen 1 Uhr zu Bett.