Für die Fahrt nach Ronda (ca. 160 km) rechneten wir mit 2,5 Std. Fahrzeit inklusive Kaffeepause, Fahrerwechsel etc. Am Vortag hatte ich schon mal im Netz wegen kostenfreier Parkmöglichkeiten geschaut (s. auch unter Mittwoch, 31.01.2024 – Fahrt mit dem Mietwagen nach Málaga gratis parken malaga) und war auch im Zentrum der Stadt fündig geworden. Als wir jedoch gegen halb zwölf bei strahlendem Sonnenschein und 8 °C unser Ziel 723 m über dem Meeresspiegel erreichten, waren sämtliche Plätze belegt. Mithilfe des Internets fanden wir umgehend ein ebenso zentral gelegenes Parkhaus am Plaza del Ahorro.
Wir entschieden uns, warme Jacken anzuziehen, denn auch die Einheimischen waren noch winterlich gekleidet. Mit der höher kletternden Sonne wurde es später aber so warm, dass Pullover reichten.
Unweit des Parkhauses fanden wir die Carrera Espinel, eine überaus belebte Fußgängerstraße. Sofort wurden Mary und ich von dem Charme des kleinen Städtchens gefangen, und uns wurde klar, warum Ronda von Rainer Maria Rilke zur spanischsten Ortschaft gekürt wurde.
Wie so häufig in den letzten Jahren, wenn wir nicht in einer Gruppe unterwegs waren, überließen wir es dem Zufall, wohin unsere Füße uns trugen.
Plötzlich standen wir an einer breiten Straße und sahen auf der anderen Seite den Teil eines offensichtlich gerundeten weißen Bauwerks, dessen Dach mit Ziegeln gedeckt war, rechts daneben eine gezackte weiße Mauer mit einem braunen Steintor und davor eine Skulptur, die sich bei näherer Betrachtung als Torero entpuppte. Sein Name war Cayetano Ordoñez el Niño de la Palma, wie auf einem Schild am Sockel zu lesen stand. Wir hatten die berühmte Stierkampfarena von Ronda gefunden!
Bevor wir dieses ästhetisch schöne Bauwerk bewundern, hier ein paar Informationen zum Stierkampf: Ursprünglich war die Durchführung ausschließlich den Adeligen vorbehalten. Es gibt Stierkämpfe in Spanien, Portugal, Südfrankreich sowie in ehemaligen spanischen Kolonien, die sich aber in ihrer Durchführung zum Teil gravierend unterscheiden. Die größte Arena der Welt befindet sich in Mexiko-Stadt (ca. 45.000 Plätze). Las Ventas in Madrid (23.798 Plätze) ist die größte Spaniens.
Der Stierkampf, wie er heute vorwiegend praktiziert wird, wurde im frühen 18. Jahrhundert durch Francisco Romero (1700–1763), den ersten professionellen Stierkämpfer, entwickelt.
Weil dem Stier vor seiner endgültigen Tötung durch den Matador („Töter“) zahlreiche Verletzungen zugefügt werden, gibt es immer wieder Protestaktionen von Stierkampfgegnern wegen des Vorwurfes der Tierquälerei. In vielen Regionen wurde daher der Stierkampf mittlerweile verboten. So sind seit einigen Jahren die Zahlen der Veranstaltungen rückläufig.
Dennoch bleiben Stierkämpfe ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. An die 200.000 Arbeitsplätze sind allein in Spanien daran gekoppelt.
Seit 1979 gibt es in Spanien auch weibliche Matadore. Offizielle Anerkennung als Matadora fand als erste Frau Cristina Sánchez 1998 in der „Plaza de las Ventas“ in Madrid. Diese Arena gilt als die bedeutendste der Welt.
In der Arena
Obwohl Rilke nie persönlich einen Stierkampf gesehen hat, gibt es ein Gedicht von ihm dazu.
Abschließend möchte ich betonen, dass hier der Stierkampf nicht verherrlicht, wohl aber die Auseinandersetzung angeregt werden soll. Eine Beurteilung dieser alten spanischen Tradition mögen die LeserInnen dann selbst treffen!
Von der Plaza de Toros de Ronda bis zur Puente Nuevo waren es nur knapp 200 Meter. Die gewaltige 98 m hohe Brücke, deren Bau 42 Jahre dauerte, verbindet die Altstadt Rondas mit dem neueren Stadtteil. Zwischen beiden fließt durch eine etwa 120 m tiefe Schlucht der Río Guadalevín.
An der Puente Nuevo
Spaziergang durch die Altstadt
Nachdem wir die imposante Brücke aus verschiedenen Blickwinkeln ausgiebig bestaunt und fotografiert hatten, verließen Mary und ich den Mirador de Aldehuela in Richtung Altstadt, wo wir hofften, irgendwo ein gemütliches Restaurant auf einem kleinen Platz für unseren Mittagsimbiss zu finden.
Doch zunächst genossen wir die wärmenden Sonnenstrahlen, während wir durch die ruhigen Gässchen mit ihren stimmungsvollen Häusern flanierten, die zu unserem Glück noch nicht von Menschenschwärmen bevölkert waren.
Aus dem gemütlichen Restaurant in der Altstadt wurde nichts, denn entweder hatte man geschlossen, weil eben die Touristen zu dieser Jahreszeit noch fehlten oder es gab nicht die Kleinigkeiten, die wir suchten. Daher gingen Mary und ich gemächlich zurück auf die Brücke zu und fanden schließlich eine Lokalität, die sich „Bar-Restaurante La Flamenka“ nannte.
Zu unserer Enttäuschung war die Haupteingangstür verschlossen, aber ein Pfeil wies uns um die Ecke, wo tatsächlich Tische und Stühle aufgestellt waren. Autos fuhren hier nicht, und so angelten wir uns einen freien Platz, gaben unsere Bestellung auf und waren froh, nach etlichen gelaufenen Kilometern angenehm zu sitzen.
La Casa del Rey Moro
Noch während wir speisten, weckte ein Plakat auf der gegenüberliegenden Hauswand unser Interesse: „Nur 50 m bis zum Maurenpalast“. In unserem Reiseführer zwar nicht erwähnt, versprach die Abbildung dennoch eine interessante Sehenswürdigkeit. Wir gingen die paar Meter, fanden in einer langen Mauer ein Tor und drinnen das Kassenhäuschen, wo uns ein junger Mann auf die „Water Mine“ aufmerksam machte, die man unbedingt gesehen haben müsse. Gespannt betraten wir die alte Stätte …
Leider lässt sich für mich nicht klären, wann das „Haus“ oder der „Palast“ des maurischen Königs wirklich gebaut wurde, weil die Angaben dazu im Netz zum Teil stark voneinander abweichen! Sollte jemand diesbezüglich über seriöse Daten verfügen, so bin ich für jeden Hinweis sehr dankbar.
Übereinstimmende Auffassungen hingegen finde ich zur sog. Wassermine („Water Mine“).
Zu militärischen Zwecken wurde unter Ausnutzung eines Risses in der Felswand Anfang des 14. Jahrhunderts unter maurischer Herrschaft ein komplexes Werk zur Beschaffung von Wasser bei längeren Belagerungen geschaffen.
Über eine in den Felsen geschlagene Wendeltreppe mit z. T. sehr hohen Stufen gelangt man 60 m tief bis auf den Grund der Schlucht. Ich selbst habe irgendwann kapituliert und bin umgekehrt. Mit dem Hinweis „noch soundso viele Stufen, dann haben Sie es geschafft“ hätte ich vielleicht durchgehalten …
Was ich jedoch gesehen habe, war beeindruckend. Auf jeden Fall lohnt sich der Abstieg – und für jüngere Menschen auch bis zum Ende!
Die Rückeroberung (Reconquista) der Stadt 1485 durch die Christen
Bei der Belagerung von Ronda spielte die Brunnenanlage, durch welche die Einwohner der Stadt mit Wasser versorgt wurden, eine wichtige Rolle. Schließlich gelang den Christen der Zugriff auf die Wasserressourcen, und man musste sich ergeben.
Hinter dem Begriff „Rückeroberung“ verbirgt sich in Wirklichkeit ein Jahrhunderte währendes Kapitel des Grauens und der Gewalt, der Unterdrückung und Intoleranz. Unter maurischer Herrschaft entstanden einige der schönsten Städte Europas: Sevilla, Cordoba, Toledo oder Granada. Muslime, Juden und Christen lebten zumeist friedlich zusammen.
Die neue christliche Macht hingegen setzt mit aller Macht den „wahren Glauben“ durch. Die Inquisition wird eingeführt. Wer nicht hundertprozentig kirchenkonform ist, sieht dem sicheren Tod entgegen und endet im Folterkeller oder auf dem Scheiterhaufen. Dessen Vermögen geht automatisch in den Besitz von Kirche und Krone über.
Die Inquisition wirkte von ihrem Entstehen Anfang des 13. Jahrhunderts bis zu ihrem weitgehenden Verschwinden Ende des 18. Jahrhunderts. Aber erst mit dem 2. Vatikanischen Konzil 1965 verzichtet die Kirche offiziell auf dieses Instrument der Macht.
Nach dem Besuch des Maurenpalastes machten Mary und ich uns auf die Suche nach dem Winterquartier von Rilke. Unterwegs gab es noch eine Menge zu fotografieren.
Auf den Spuren Rilkes und anderer berühmter Menschen
Dass sich Rainer Maria Rilke von Dezember 1912 bis Februar 1913 in Ronda aufgehalten hatte, lasen wir in unserem Reiseführer. Auch, dass er im Hotel Reina Victoria untergekommen war, stand dort geschrieben. Also beschlossen Mary und ich, den noblen Ort zu suchen, zumal sich auf der Terrasse eine Bronzestatue des Dichters befinden sollte.
Nach Rilke haben sich mehr als 20 Jahre später auch Orson Welles und Ernest Hemingway in Ronda aufgehalten und miteinander bekannt gemacht. Es entstand eine Art Freundschaft.
Die Asche von Orson Welles wurde sogar 1987, seinem letzten Wunsch entsprechend, von dessen Tochter in einem Gartenbrunnen auf dem Landgut des langjährigen Freundes Antonio Ordóñez verstreut. Weitere Details können der Website von Dr. Wolfgang Stock entnommen werden.
Zum Schluss bestellten Mary und ich noch ein Getränk auf der schönen Hotelterrasse und genossen den wunderbaren Blick in die Ferne, der schon berühmtere Menschen als uns begeistert hatte.